Mit dem Fahrrad nach HelsinkiEine Achterbahn in Südschweden Der übliche morgendliche Blick aus dem Fenster verhieß Gutes. Sonnenschein und nur vereinzelte Wolken, die Aussicht auf einen Tag ohne Regen ließ uns munter werden. Als wir gegen 9.30 Uhr die Räder mit dem Gepäck beluden suchten wir das erste Mal auf unserer reise den Schatten. Doch es kommt immer anders als man denkt! Eine alte Radlerregel besagt: Wind von vorne ist schlimmer als Regen von oben, und genau dieser Regel mussten wir an diesem Morgen zustimmen. Wir hatten Landskrona noch nicht ganz verlassen, da fegte uns eine steife Brise ins Gesicht, die unseren Kilometerschnitt rapide sinken ließ.
Nach wenigen Kilometern stießen wir auf die E6, eine „alte Bekannte“ von unserer Tour zum Nordkap. Damals – 1994 – waren wir mehrere hundert Kilometer auf der sog. Eismeerstraße unterwegs gewesen. Kaum lag diese Begegnung hinter uns, begann das Gelände hügelig zu werden. Kein Umstand, der unseren Schnitt in die Höhe treiben konnte. So kämpften wir uns Meter um Meter gegen den Wind die Hügel hinauf. Glücklicherweise ging es an diesem Tag Vaters Nacken wieder besser. Die Salbe aus Kopenhagen hatte schnell gewirkt. Trotzdem suchten wir bei jeder Pause den Windschatten. Man muss das Schicksal ja nicht herausfordern.
In Svalöv, ca. zwanzig Kilometer hinter Landskrona, versorgten wir uns mit Lebensmitteln und vor allem mit Wasser. Wind und Steigungen hatten schon früh an unseren Kräften gezehrt. Doch wie das mit den Radlerregeln so ist, trifft die eine zu, dann meist auch die andere. So heißt es doch: Immer wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Traktor her. Der Traktor war in unserem Fall ein Bagger, der radfahrerfreundlich einen Anhänger zog. Wie der Name schon sagt, wir hängten uns an. Nicht das wir es auf so etwas angelegt hätten, aber ein Bagger bei Gegenwind und Steigung ist schon fast ein Zeichen. So etwas muss man wahrnehmen.
Circa zehn Kilometer weiter, am Ende der B108 in Röstenga, verließ uns unsere Zugmaschine. Wir orientierten uns kurz auf der Karte und setzten unsere Route über kleine bis kleinste Nebenstraßen fort. Die Strecke führte durch einsame Wälder, nur hier und da sahen wir Häuser und Autos, Menschen fast gar nicht. Eine traumhaft idyllische Stecke, die sich wie eine Achterbahn mal auf mal ab, links und rechts durch die Birkenwälder schlängelte. Schweden wie in einem Roman von Astrid Lindgren.
Gegen Mittag erreichten wir Perstorp, eine größere Stadt an der B21. Wir entschlossen uns eine längere Mittagspause einzulegen und versorgten uns im Supermarkt in der Ortsmitte mit Teilchen und Milch. Im Schatten der Bäume der Marktplatzes genossen wir die Pause und beobachteten das Treiben rund um den Platz. Viel war hier allerdings nicht zu sehen, schließlich würde man Perstorp gemessen an deutschen Verhältnissen nur als kleinen Ort bezeichnen. Nachdem wir uns auch noch mit Briefmarken eingedeckt hatten machten wir uns gegen 14.30 Uhr an die Weiterfahrt, die nun über die B21 führen sollte. Leider war der idyllische Teil der Strecke nun vorbei, doch auch auf der breit ausgebauten Straße fühlte man sich keinesfalls durch den Verkehr bedrängt.
Je mehr wir uns von der Küste entfernten, desto weniger wurde der Wind und desto besser kamen wir voran. So entschlossen wir uns noch vor Tyringe unser Etappenziel für den Tag festzulegen und reservierten von einem Rastplatz an der B21 ein Zimmer in Osby, das zu diesem Zeitpunkt noch über 40 Kilometer entfernt lag. Doch so hatten wir die Gewissheit am Abend ein Dach über dem Kopf zu haben. Wir mussten nur noch bis nach Osby kommen.
Kurz vor Hässleholm ließ man uns nicht weiter auf der B21 fahren. Die Strecke wurde zur Autostraße und wir gezwungen eine andere Route einzuschlagen. Was uns Radfahrer ja meist furchtbar ärgert erwies sich hier als Vorteil. Nur wenige Kilometer weiter waren wir wieder alleine mit uns und dem Wald. So wie am Vormittag führte die Straße achterbahnartig durch den Wald, vorbei ein kleinen Gehöften, Wiesen mit Findlingen und immer wieder Birken. Und wie am Vormittag fand dies Vergnügen leider irgendwann ein Ende. Hinter Ballingslöv kamen wir auf die B23, die uns breit ausgebaut mit langgezogenen Steigungen bis kurz vor Osby begleiten sollte. Doch auch hier gab es, wie auf allen schwedischen Fernstraßen, einen Seitenstreifen, der wenn auch oftmals nicht breit, sich hervorragend zum Radfahren eignet. So erreichten wir nach weiterem Auf und Ab den Abzweig nach Osby.
Wir verabschiedeten uns mit einer rasanten Abfahrt bis zum nächsten Tag von der B23 und setzten zum Endspurt an. Das Durchschnittstempo stieg sowie die Entfernung zum Ziel sank. Mit jedem Führungswechsel schienen wir uns gegenseitig überbieten zu wollen. So hatten wir dann auch recht schnell unser Ziel erreicht. Auf einem Parkplatz an einem herrlich gelegenen See fanden wir auf den üblichen Übersichtstafeln schnell das Hotel, in dem wir am frühen Nachmittag ein Zimmer reserviert hatten. Das war nicht schwer zu finden, schließlich war es das einzige im Ort. Gegen 18.30 Uhr ließen wir die Räder vor dem Hotel ausrollen. Die Räder in den Innenhof und wir genau mit dem einsetzenden Regen aufs Zimmer – Glück gehabt!
Durch Wind und Wetter nach Dänemark Ein nasskalter Empfang in Finnland Die Erfüllung eines Traums: Mit dem Rad nach Helsinki
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