Die Tour de France - privatVon kleinen gemeinen Steigungen – der Weg nach Vizille Um der Hitze ein Schnippchen zu schlagen nachte ich mich an diesem Tag bereits um kurz nach halb acht Uhr auf den Weg hinaus aus Gap in Richtung des Col Bayard. Noch in Gap begann die N85 zu steigen, auf den ersten acht Kilometern der Etappe galt es immerhin 510 Höhenmeter zu überwinden. Kein Zuckerschlecken, die Steigung war sehr steil und meine Muskeln noch gar nicht richtig wach. Glücklicherweise war die Tortour relativ schnell vorbei. Die Passhöhe war eher unspektakulär, Autofahrern dürfte das Schild am Rand der Straße wohl nicht auffallen, aber mehr als 500 Höhenmeter morgens um kurz nach neun Uhr sind schon mal ein Foto wert.
Hatte ich in der Steigung noch den Verkehr auf der N85 als nachteilig empfunden, so nutzte ich nun einen Vorteil der Nationalstraße, den hervorragenden Belag. Die Abfahrt von Col Bayard war das reine Vergnügen, vorrausgesetzt man hat Spaß an Geschwindigkeiten um die 80 km/h. Ich hatte Spaß, schließlich war die Straße beinahe schnurgrade und sehr breit. Leider dauerte das Vergnügen nicht allzu lange. Und auch der Rest der Strecke in Richtung Vizille war nicht unbedingt einfach zu fahren. Harter Gegenwind bremste mich auf den Abfahrten. Nun gut, das lag nicht an der Strecke, aber das was auf der Karte relativ flach ausgesehen hatte stellte sich als ein ewiges Auf und Ab heraus. Immer wieder stellten sich mir kurze aber gemeine Steigungen in den Weg, wie die "Rampe du Motty", die ein Schild mit folgenden Werten ankündigte: 3 km, 12%, Ouvert, na wenigstens etwas! Oben angekommen hatte ich schon wieder eine Höhe von 946 MüNN erreicht.
Vielleicht etwas naiv, aber ich hatte damit gerechnet, dass die Strecke bis nach Vizille, das immerhin nur auf 315 MüNN lag, leicht fallen würde. Weit gefehlt, doch was Napoleon mit seinen Männern zu Fuß und per Pferd geschafft hatte, sollte doch für mich kein Problem darstellen. Ich befand mich auf historischem Terrain. Im Jahr 1815 war Napoleon bei seiner Rückkehr aus dem Exil auf diesem Weg nach Paris marschiert. Nun so weit wie der kleine Korse, der links und rechts des Weges auf Denkmälern verewigt ist, wollte ich nicht und die kaiserliche Armee hatte ich wohl auch nicht zu fürchten, aber trotzdem beschloss ich so viel Geschichte erst einmal sacken zu lassen. Ich gönnte mir eine Einkaufs-Pause in Corps, oberhalb des idyllischen Lac du Saudet gelegen. Leider leidet der Ort unter dem Verkehr auf der N85, die mitten durch die Ortsmitte verläuft. Daher entschloss ich mich, meine Mittagspause an einem ruhigeren Ort einzulegen. Die Strecke verlor nun wieder an Höhe, sehr angenehm, wenn man bedenkt, dass mich die Mittagshitze inzwischen wieder voll im Griff hatte. Da lud mich plötzlich ein schattiger Rastplatz mit Tischen und Bänken zur Pause ein. Ich nahm dankend an. Mittagessen, ein Blick in die Karte und vor allen Dingen noch mal Sonnenschutz nachlegen, immerhin zeigte das Thermometer 27 Grad im Schatten auf 900 MüNN. Gleichzeitig reservierte ich mir per Handy ein Zimmer in Vizille und meldete mich mal in der Heimat.
So gemütlich die Pause auch war, ich musste weiter, denn von meinem Tagesziel trennten mich noch cirka vierzig Kilometer. Langsam rollte ich weiter in Richtung La Mure, doch mit dem Rollen war es schnell vorüber. „La Mure“ der Name passte zu dem kleinen Städtchen, vor allem wenn man wie ich aus südlicher Richtung kam. Dort baute sich nämlich eine herzhafte Steigung vor der Ortsgrenze auf, die ziemlich genau dreihundert Höhenmeter oberhalb lag. Passierte ich noch in rasender Abfahrt den Abzweig zur C2 nach Sousville, so war ich nur wenige Meter später froh 27 Gänge an meinem Rad zu haben. Mit Hilfe der Untersetzung machte ich mich auf die harte aber glücklicherweise nur drei Kilometer lange Steigung. Oben angekommen verstand ich beinahe die Welt nicht mehr. Wie gesagt, Vizille lag auf 315 MüNN und ich war immer noch fast 900 Meter hoch. Doch die Lösung für mein „Höhenproblem“ lag nach einer landschaftlich schönen Strecke entlang der Seen vor Laffrey endlich vor mir: Die „Descente de Laffrey“, gesperrt für LKW, eine sechs Kilometer lange Abfahrt mit zwölf Prozent Gefälle und gutem Straßenbelag. Da war er, der Lohn für die Mühen des Tages, sechs Kilometer ohne Kehre, nur rollen und genießen. Nun gut, zwischendurch war auch mal der beherzte Griff zur Bremse von Nöten, trotzdem reichte der Schwung bis hinein nach Vizille.
Dort angekommen folgte ich der Beschilderung zur Tourismusinformation, die ich in der Nähe des historischen Schlosses fand. Dort befanden sich auch nahezu alle Unterkünfte, nur leider nicht das Hotel, welches ich am frühen Nachmittag reserviert hatte. Das lag leider außerhalb am Berg oberhalb der Stadt, allerdings schon in Richtung Le Bourg d’Oisans, dem Ausgangspunkt zur Steigung nach Alpe d’ Huez. Die 200 Meter, die ich mich und mein Rad abschließend noch mal im ersten Gang zum Hotel hinaufwuchten musste, wurden durch das Hotel aufgewogen. Eine alte Villa, umgeben von einem großen Park, ein Zimmer mit offenem Kamin und Räume in denen man Geschichte spüren konnte, das Ganze sollte nun für zwei Tage mein Quartier sein. Morgen wollte ich Alpe d’ Huez bezwingen und abends wieder in Vizille sein. Neunzig Kilometer, die mit Sicherheit härter werden würden als die nach Vizille. Mein Rad fand seinen Platz im Gartenhaus und ich kam endlich zu der ersehnten Dusche. Nach dem hervorragenden Abendessen auf der Terrasse erkundete ich noch kurz den Park des Hotels, schrieb noch ein paar Postkarten und sortierte das Gepäck für den morgigen Abstecher. Schließlich brauchte ich neben dem Werkzeug nur das Nötigste. Die Etappen der Tour de France Von Lyon nach Montelimar - Die längste Etappe durch das Tal der Rhone Über den Riesen der Provence, den Mont Ventoux nach Sault Die zweite Köngsetappe, hinauf nach L’ Alpe d’ Huez
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