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Viele Ökofarmer bieten Kost und Logis gegen Arbeit. Und so ziehen im Sommer viele „Wwoofer“ von Hof zu Hof. Sie säen, ernten, wagen den Ausstieg auf Zeit. Ein Selbstversuch., Reiseberichte, Fotos, Bilder, Reiseinformation, Reisetipps weltweit. Schreiben Sie Ihren Reisebericht. Zeigen Sie Fotos und Bilder online. Reiseerfahrung mit anderen teilen!
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Ein Bett am Kornfeld - Urlaub umsonst in Neuseeland

Teil 2

Apropos: Zeit fürs Frühstück. In der Gärtnerei wartet ein großes Schraubglas mit Müsli. Die Milch dazu ist nur für mich gekauft worden – Wayne und Yvonne haben keinen Kühlschrank. Unter einer Werkbank steht eine echte Öko-Waschmaschine: Ein Eimer mit Deckel und Seifenresten, daneben eine Beschreibung, wie man darin Wäsche einweicht. Ich bin beeindruckt von all der Konsequenz, die täglich harte Arbeit bedeutet – mir wäre so viel Verzicht auf Dauer zu anstrengend.

Ein Zeitungsausschnitt an der Wand zeigt Wayne, der in einer Aktion gegen das Abholzen von Bäumen protestiert. Ich ziehe mir eine alte Arbeitshose über und hole die Schubkarre aus der Ecke.

Mein erster Job für heute sieht vor, die Pferdewiese vom Dung zu befreien und diesen auf die Gemüsebeete zu verteilen. Mit der Schaufel habe ich einen Schwung Pferdeäpfel nach dem anderen an und lasse ihn in die Karre plumpsen. Die Bewegung tut gut und hat etwas Meditatives. Mir wird warm, meine Gedanken wandern davon. Wayne ist in der Gärtnerei beschäftigt. Aus Sand und Zement formt er dekorative Ornamente, die in einem Gartencenter im fünf Stunden entfernten Auckland verkauft werden. Das bringt der dreiköpfigen Familie etwas Geld ein. Nur vom Bäumepflanzen und Gemüseanbau allein könnte sie nicht leben.

Als mein Magen knurrt und die intensive Dezember-Sonne hoch am Himmel steht, stelle ich die Schubkarre weg und gehe zum Haus. Yvonne, in Kopftuch und Latzhose, hat sich ihren Jüngsten im Wickeltuch auf den Rücken geschnallt. Sie kniet auf einem Beet, auf das sie eine dicke Schicht altes Zeitungspapier legt.


„Mulchen“ heißt diese Methode. „Das zerstört alles Unkraut und Gras,“ sagt sie. „In drei Monaten kann ich dann darauf frisch anpflanzen.“ Sie erklärt mir in groben Zügen, was „Permakultur“ bedeutet – ein Konzept für ganzheitliches Bauen, Gärtnern, Denken. Yvonne hat viele Pläne, was auf dem Grundstück entstehen soll. Das nächste Projekt wird ein Haus aus Lehmziegeln sein. Ein Wwoofer, der Architektur studiert, hat ihr beim Entwurf geholfen.

Mein Lunch besteht aus frischgebackenem Vollwertbrot, Käse und selbsteingelegtem Zucchini-Chutney. Simpel und köstlich. Wayne drückt mir wenig später Schmirgelpapier und Pinsel in die Hand. Zwei alte Kommoden in der Gärtnerei habe eine Restaurierung nötig. Eine nette Abwechslung vom Mistschaufeln. Nach zwei Stunden Streichen ist Schluss für heute. In Turnschuhen steige ich in den Fluss. Wayne und Yvonne haben mir erzählt, dass ich irgendwann auf einen Wasserfall stoße. Ich laufe durchs knietiefe, kalte Wasser über rutschige Kieselsteine und modernde Baumstämme immer tiefer in die menschenleere Wildnis hinein.
Farne und Schlingpflanzen wachsen am Ufer, darunter liegen glänzende Schneckenhäuser. Ein feuchter Märchen-Wald. Ich taste mich um eine Kurve vor und komme nicht mehr weiter. Vor mir ragt der tief im Wald versteckte Wasserfall auf. Kein Weg führt hier hin, nur Eingeweihte kennen diesen Ort. Ich lasse mich an der Seite des Wasserfalls wie auf einer Rutsche hinuntergleiten und freue mich: Für diesen Spaß hätte ich sonst entweder eine Besichtigungstour buchen oder ihn mit anderen Touristen teilen müssen. Hier ist er Teil des Lebens meiner Gastgeber.

Wwoofen ist nicht nur „all inclusive“, es ist auch authentisch – selbst wenn Wayne und Yvonne ganz und gar nicht wie typische Kiwis leben.
Als ich am nächsten Tag den Obstgarten hinter der Gärtnerei betrete, um einen dort vergessenen Spaten zu holen, faucht mich ein kleines Ungeheuer mit spitzen Zähnen an. In einer Falle im Baum zappelt ein Opossum – Neuseelands berüchtigter, einst importierter Naturkiller, der halbe Wälder entlaubt und junge Vögel frisst. Ich erschrecke mich, aber Wayne lacht. Er holt das Tier aus der Falle, trägt es hinter den Schuppen und macht mit einem Holzknüppel kurzen Prozess.

Mit Umweltfeinden ist nicht zu spaßen. Den Vormittag verbringe ich damit, Löwenzahn-Wurzeln aus dem Gelände rund um eine offene Feuerstelle zu graben. Eine ziemliche Plackerei, denn die Dinger sitzen tief und fest. Danach hat Yvonne eine neue Aufgabe für mich: „Kannst du Kuchen backen?“, fragt sie. Der Zitronenbaum vor der Veranda hängt voller Früchte. Der saftige „lemon cake“, den ich stolz aus dem Ofen hole, ist für einen besonderen Anlass gedacht: Auf Wayne und Yvonnes Land findet eine Weihnachtsfeier unter freiem Himmel statt. Daher also die Verschönerung der Feuerstelle. Nach und nach trudeln Leute aus der Umgebung und Freunde von weit her an. Eine junge Familie kommt im umgebauten, bunt angemalten Bus. Jeder hat etwas zu essen itgebracht. Nandor Tanczos, der für die „Grünen“ im neuseeländischen Parlament sitzt, gibt ein Stelldichein. Ein Maori mit Tätowierung übers ganze Gesicht hält eine ergreifende Rede, in der es um den Schutz der Mutter Erde geht. Kinder klettern auf die Autoreifen-Schaukel und rennen durchs hohe Gras zum Bach hinunter. Ein Vater mit Dreadlocks wiegt sein Baby auf dem Arm. Zwei Frauen schwärmen von einem Heiler, dessen Workshop sie besucht haben.

Der ältere Holländer neben mir erklärt mir ausführlich, warum Neuseeland „GE free“ – frei von Genmanipulation – werden muss.

Als es dunkel wird, zündet Wayne das Feuer an. Jemand fängt an, ein Lied zu singen. Sandfliegen machen sich über meine Knöchel her. Egal. Ich schaue in die Glut, lausche den Stimmen und genieße den Einblick in eine andere Welt.

Abreisetag. Ich räume den Wohnwagen auf. Yvonne packt mir ein Lunchpaket ein. Ihre älteren Söhne können mittlerweile meinen Namen aussprechen. Ich blättere im Gästebuch, in dem sich die vielen Wwoofer der letzten Jahre mit ein paar Zeilen, einem Gedicht oder selbstgemalten Bild verewigt haben – Japaner, Schweden, Amerikaner. Die meisten sind junge Studenten und rucksackreisende, die durchs Wwoofen monatelang mit Mini-Budget auskommen. Andere haben ihre Karriere ruhen lassen, um einen echten Ausstieg auf Zeit zu wagen. Manche von ihnen sind Wochen geblieben. Ich bin nur eine von vielen und bald wieder vergessen.

Als ich mit meinem Gepäck die Auffahrt hoch laufe, dreht sich das Pferd nach mir um. An der Schotterstraße strecke ich den Daumen raus. Meine Finger haben dunkle Rillen bekommen, die auch mit Wasser und Seife nicht so schnell verschwinden werden. Diese Spuren sind mein schönstes Souvenir: Man kann es nirgendwo kaufen.
Alltag
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Autor: Anke Richter
erstellt: 06.09.2006
gelesen: 16454 mal
Stichworte: Neuseeland
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