Ibizas Fischer4:40 Uhr: Die Besatzung macht sich bereit. Das 60 Meter lange und 500 Kilo schwere Schleppnetz wird zum ersten Mal in die Tiefe des Meeres hinunter gelassen. Je nach Fang wird das Netz an einem Arbeitstag bis zu dreimal ausgeworfen. Toni und Pepe überwachen am Heck das Abrollen des Schleppnetzes. Antonio steht an der Spule. José Luis beschleunigt, damit sich die Stahlseile nicht verwickeln. Der Kutter wird das Schleppnetz nun etwa anderthalb Stunden lang auf dem Meeresboden entlang ziehen. Die Ausbeute der täglichen Plackerei: 300 bis 500 Kilo Fisch. Der erste Teil der Arbeit ist erledigt, die Besatzung verschwindet in die Kojen.
5:45 Uhr: Die TANIT DOS ist auf Höhe der Cala Vedella angekommen. In der Ferne taucht in der langsam aufziehenden Morgendämmerung die Silhouette von Es Vedrà auf. Auf den nächsten Seemeilen hängt die Mondsichel über der Cala d’Hort, der Himmel über Sant Antoni färbt sich in allen Rottönen ein. Sonnenaufgang im Stil eines Sonnen-untergangs am Café del Mar. Mittlerweile begleiten Hunderte von keifenden Möwen den Kutter. Sie sind aufgeregt, das Frühstück naht. Mit kräftigen Flügelschlägen umkreisen sie das Schiff, das mit acht Knoten (15 km/h) durch die Wellen pflügt. Die ein oder andere Möwe hockt sich auf die Masten und fährt ein kurzes Stück per Anhalter mit.
6:45 Uhr: Vor Es Vedrà drosselt José Luis den Motor. Der Fang soll an Bord geholt werden. Die Spannung steigt. Wie wird die Ausbeute sein? Da die Besatzungsmitglieder einen Anteil am Fang erhalten, freuen sie sich, wenn viele Fische im Netz zappeln. Ob es ein wirklich erfolgreicher Tag wird, entscheidet sich aber erst am Nachmittag.
Selbst wenn ein Kutter voll beladen in den Hafen zurückkehrt, heißt das nicht, dass Kapitän und Besatzung gut verdient haben. Sollten an diesem Tag nur wenige Großhändler oder Restaurantbesitzer in die Räume der Genossenschaft kommen, bleibt die Kasse leer. Man sollte denken, dass die Nachfrage nach frischem Fisch groß ist. Weit gefehlt, in den letzten fünf Jahren ist der Verkauf rückläufig.
Boote mit Schleppnetzen sind von der Überfischung des Mittelmeers zwar nicht betroffen – im Gegensatz zu Fischern, die mit kleinen Booten in geringer Tiefe und in der Nähe der Küste fischen – dennoch wird es für die Männer immer schwerer, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. „Die Leute gehen in den Supermarkt, kaufen Tiefkühlfisch. Keine Gräten, keine Arbeit mit dem Säubern“, meint Pepe. Hinzu kommt, dass die Preise der ibizenkischen Fischer nichts mit den Marktpreisen zu tun haben, denn Fisch wird auch vom Festland, aus Jugoslawien, Marokko, Portugal oder anderen Gegenden eingeführt.
7:15 Uhr: Laut knatternd wickelt sich das 350 Meter lange Stahlseil auf die Winsch, eine Art überdimensionale Spule. Das Schleppnetz ist an Bord. Der Inhalt wird auf das Deck gekippt. Es riecht intensiv nach Fisch. Bevor sich Pepe und Toni um die Fische kümmern, müssen sie das Netz reinigen, Algen, Steine und anderen Schmutz entfernen. Erst danach kann Antonio die letzten Meter des Netzes per Knopfdruck auf die Spule rollen.
Nun zappeln Hunderte von glänzenden kleinen und großen Fischen an Deck: San Pedros, Rotjas, Sprotten, Seeteufel, Rochen, Tintenfische, Kalamare, eine Languste. Dazwischen Bier- und Coladosen, alte Flaschen, Plastiktüten, Joghurtbecher und anderer Müll. Manchmal kamen mit den Fischen auch schon Waschmaschinen oder Autoreifen an Bord. Hunderte von Kiemen schnappen nach Luft. Tintenfische kriechen über Deck. Einer schafft es, sich durch ein Loch in der Bootswand zu zwängen. Er plumpst zurück in seine nasse Wohnstube. Man ist versucht, ihm von ganzem Herzen zu gratulieren, und den Rest der Fische gleich hinterher zu werfen.
Für die Crew beginnt jetzt ein wichtiger Teil der Arbeit. Die Fische müssen je nach Sorte in Plastikkisten sortiert werden. Die großen Fische werden kurz auf den Boden geschlagen, schon hat das Zucken ein Ende. Korallen, Seesterne, Schnecken, Krabben, Ungenießbares und kleine Meeresbewohner fliegen im hohen Bogen zurück in die Fluten.
Die Möwenmeute ist jetzt voll in Fahrt. Das Frühstück wird ihnen auf dem Silbertablett serviert. Eine kreischende, keifende Wolke stürzt sich auf das Meer. Ein Schauspiel wie aus Hitchcocks Film „Die Vögel“. Noch bevor die Fische einsortiert sind, wird das Schleppnetz wieder ins Meer gelassen. Erst wenn der Fang mit Eis verpackt, das Deck abgespült ist, gibt’s Frühstück.
Nun durchkreuzt José Luis die südlichen Gewässer von Es Vedrà . Hier hat das Meer eine Tiefe von etwa 100 Metern. Nachdem das Netz zum zweiten Mal hoch gehievt wurde, nimmt der Kapitän Kurs auf den Heimathafen. Heute ist Freitag, da ist die Nachfrage nach frischem Fisch meist niedrig, so kann man früher Feierabend machen.
Gegen 13:00 Uhr läuft die TANIT DOS in Sant Antoni ein. Gemeinsam laden die Fischer die Kisten mit ihrem frischen Inhalt in Antonios Auto. Der Fang wird zur „CofradÃa“ an der Hafenmole gebracht, wo er gewogen wird. Dort entscheidet sich, ob der lange Arbeitstag einen erfolgreichen Abschluss finden wird. In den gekachelten Genossenschaftsräumen haben sich auch andere Fischer eingefunden. In der nächsten Stunde fährt der ein oder andere Großhändler im Kombi vor, begutachtet die Ware. Aber heute ist kein guter Tag, die Besatzung der TANIT DOS wird keinen großen Gewinn einstreichen. Obwohl Antonio sogar selbst zum Handy greift, um bei einigen seiner Stammkunden anzurufen. Ohne Erfolg, es hagelt Absagen.
Pepe und Toni schaufeln Eis für die nächste Tour in Säcke, bringen es zum Kutter, füllen den Kühlraum der TANIT DOS. Nach einem Fischeintopf, für den Toni die Brühe schon weit vor Conejera angesetzt hat, ist endlich Feierabend. Die Fischer werden heute schon gegen 16 Uhr zu Hause sein. Das Wochenende wartet. Montagmorgen um 2:30 Uhr wird der Wecker wieder klingeln. José Luis Riera bringt es auf den Punkt: Für diese Arbeit muss man geboren sein...
Ihr Job ist hart – und oft auch gefährlich
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