Ins Ritz, ParisUnter 20 Euro gibt es nichts, was man im Ritz essen, trinken oder kaufen kann. Die billigste Nacht kostet 640 Euro. Das ideale Nachtquartier also für alle, die gerne nach Paris reisen.Auf der Plastik Markise steht „Ritz“. Darunter weist ein roter Teppich den Weg durchs bescheidene Portal. Ein eher unscheinbares Gebäude am Place Vendome. Luxuskarossen davor lassen ahnen, dass die Insassen der 160 Kammern neben vielen überflüssigen Pfunden auch ein paar Milliarden Euro auf die Waage bringen. Denn im Ritz wohnen Kaiser und Könige, Stars und Sternchen, und jene, die sich dafür halten.
Der Ort, an dem Lady Diana ihre letzte Nacht verbrachte. Das Haus, in dem Coco Chanel starb. Marcel Proust genoss in dem Gemäuer sein letztes Bier. Hemingway versoff ein Vermögen in der Reichenherberge. Der Trinkfestigkeit des Nobelpreisträgers wird noch heute in einer nach ihm benannten Bar gedacht.
In zerschlissen Jeans und durchgewetzten Turnschuhen stehen wir guten Mutes vor der Rezeption und begehren Obdach. Wir sehen aus, als wären wir ins Ritz getrampt, gestalten mit unserem Äußeren ein Kontrastprogramm zum Innendekor, Stil 17. Jahrhundert. Durchschnittsalter Klientel: 60, skurril betucht. Sehen aus wie betagte Testpersonen für Haute Couture. Der Nährboden der Pariser Modeschneider logiert offenbar in diesem Seniorenstift.für Millionäre. Wir dagegen sehen aus wie Hartz IV Empfänger vom Mars.
Um bösen Überraschungen vorzubeugen nehmen wir das Nachtquartier erst mal in Augenschein. Der Chefpage zeigt uns die Coco Chanel Suite – viel Kitsch für 5500 Euro. Bleibt die Imperial Suite - zwar eine Verlockung, weil hier Lady Di ihre letzten Stunden verbrachte – aber 13000 Euro für eine Nacht ist auch Geld. Wir fokussieren uns daher lieber auf die unteren Preiskategorien.
Die Gefahr beim billigsten Angebot ist jedoch, dass man im ersten Stock bei den Armen wohnt. Und die haben noch nicht mal einen Balkon. Mit viel Geschick und Vortäuschen eines VIP Status gelingt ein Upgrade. Wir atmen auf.
Die Zimmer sind, wie Cesar Ritz sie einst schuf. Nur Telefon und Fernseher erinnern an das 21. Jahrhundert. Ansonsten wird der Gast von Belle Epoche erschlagen. Überall Ornamente, Schnörkel, Muster, Reliefs. Alles hellgrün oder verwaschen rosa. Selbst in der luxuriösen Nasszelle findet das Auge keine Ruh’ – das Wasser tropft hier nicht etwa aus einem ordinären Hahn, sondern sprudelt aus einem Schwanenhals.
Streng der Dresscode beim Frühstück. Ohne ordentliches Outfit kein Zutritt zur Speisehalle. Mein erster Versuch in Schlappen und Jogginghose scheiterte am Saalschutz. Dieser hieß mich mit strengem Blick gefälligst eine andere Garderobe anzulegen, wenn es mir beliebe, hier Nahrung zu fassen.
85 Euro kostet ein Frühstück im Ritz. Wie gut, dass es bei uns inklusive ist. Klassische Musik, dezentes Porzellanklappern. Silberne Teekannen, vergoldete Löffel, Diener im Cut. Das Personal kommuniziert allenfalls im Flüsterton. Wir ordern ein Fünf – Minuten – Ei. Mit pflichterfüllter Miene schleicht sich der Kellner in devoter Haltung von dannen.
Der Spa – Bereich ist auch nicht zu verachten. Als ich, geschützt per Badekappe mit „Ritz“ – Logo (Pflicht), im Pool treibe, vernehmen meine Ohren klar und deutlich musikalisches Germanentum: Wagners Lohengrin, in die Fluten emittiert. Wer taucht da nicht gerne ab? Und unter Wasser hört sich Wagner wirklich gut an.
Restaurants und Bars im Ritz sind ebenfalls einen Besuch wert. Einfach, um mal einen Blick auf die Speisekarte zu werfen. Ein Bier 20 Euro, der teuerste Wein 5000 Euro. Bei der Auswahl ist also Vorsicht geboten: Wer ohne Brille aus Versehen eine Zeile tiefer rutscht, ist schnell seine Altersvorsorge los.
Das Ritz, Eleganz und Raffinesse wo man hinschaut. Zum Beispiel auf die Rechnung - beim Check out: Unter der vornehmen Rubrik „supplémentaire“ prangen 14 Euro. Was dies bedeutet, möchte ich vom Kassenwart wissen. Er schaut etwas besorgt drein, telefoniert und präsentiert das Rechercheergebnis: 14 Euro – der Preis für das Ei. Es war nicht im Frühstück inbegriffen.
|