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Malediven: Oben ohne 1000 Dollar!

Lesen Sie hier über die Malediven, was Sie sonst nirgendwo lesen. Ein erschütternder Tatsachenreport über ein ehemaliges Inselparadies!

Malediven

Die Malediven, Tausende Inselchen im Indischen Ozean, vor 30 Jahren völlig unbekannt, bis weiland das vor sich hinträumende Tourismusministerium einen glänzenden Einfall hatte: warum nicht einige unbrauchbare Eilande für den Tourismus öffnen und in Dollarabsauganlagen verwandeln?

Die Idee stieß zunächst auf Skepsis, denn jeder Maledivianer sieht sich eher als Gefangener der Atolle - ohne Fluchtmöglichkeit. Dass Menschen freiwillig hier her kommen und dafür auch noch ein Schweinegeld ausgeben, das erschien selbst den optimistischsten Atollhäuptlingen utopisch.

Einige Testanlagen lehrten allerdings das Gegenteil. Schnell wurde in den noch so entlegensten Winkeln des Inselreichs nach Grund und Boden Ausschau gehalten, auf denen man Europäer einquartieren und ausnehmen kann. Einmal auf der Insel, ist der vermeintliche Gast Preisen und Schikanen des Managements hoffnungslos ausgeliefert. Ein perfektes System zum Zwecke des finanziellen Aderlass. Widerstand zwecklos, ohne Kreditkarte ist man verloren, es sei denn, man hat zusätzlich noch einen Koffer mit Dollar dabei.

Luft und lichtdurchflutete Strohhütten, eine Hängematte, Moskitonetz, schlafen unterm Sternenzelt – so hatte ich mir die Malediven vorgestellt. Es gibt wohl kaum einen geeigneteren Ort auf der Welt. Doch so was sucht man auf den Malediven vergeblich.

Stattdessen Betonpferche unter Palmen. Damit sich der Urlauber nicht umstellen muss, sind die tropischen Übergangsheime mit extra starker Aircondition ausgestattet. Fenster lassen sich erst gar nicht öffnen, Türen schall- und luftdicht.. Dergestalt hermetisch abgeriegelt, und die Bude runtergekühlt auf Winter, fühlt sich der Weitgereiste wieder wie zuhaus. Wem es in dem tropischen Iglu zu kalt wird, der kann zur bereitgestellten Wolldecke greifen.

Eine Mischung aus Gelsenkirchener Barock und asiatischem Biedermeier bestimmt die Inneneinrichtung dieser Zellen. Ein landesuntypischer Zierüberwurf drapiert einen Tisch aus Mahagoni Imitat. Als Zierrat dient eine Vase „made in China“ mit vor sich hinstaubenden Plastikrosen. Wie zuhause thront inmitten eines schrankwandähnlichen Gebildes ein Riesenfernseher. Blickdichte Gardinen und lichtundurchlässige Vorhänge verbreiten selbst in den hellsten Tropen dunkle Tristesse. Warum auch sich draußen den Sonnenuntergang anschauen? Oder mit den Schattierungen des türkisfarbenen Meeres träumen?

Verfärbte Orientlappen bedecken den Boden. Zwei Plüschsofas, in die auch übergewichtige Hinterteile aus Castrop Rauxel bequem reinpassen, runden das innenarchitektonische Bild ab. Allerdings ist die Garnitur schon etwas angemodert. Macht ja nix, nach dem 3. Bier ist’s auch egal. Hauptsache die Fernbedienung funktioniert.

Verschlossene Fenster und Türen sind jedoch zuweilen auch ganz praktisch. In der Mitte der Insel poltern nämlich mehrere Dieselmotoren, ein Kraftwerk. Wer das Pech hat, in der Nähe dieser Emissionsschleuder zu wohnen, braucht erst gar nicht vor die Tür zu treten: Geruch und Geräusch wie bei einem LKW Stau in Berlin Mitte. Doch auch hier gibt es Steigerungsmöglichkeiten: Mittags wird dieser Ort nämlich in eine Müllverbrennungsanlage verwandelt. Alles erinnert also irgendwie an Deutschland, nur dass es hier keine Abgasfilter gibt.

Im Barbereich dröhnt Rock der 80iger mit Tausend Dezibel. Entrinnen zwecklos, dazu ist die Insel zu klein. Da das Management offensichtlich nur 2 CDs besitzt kennt man die Songs nach 2 Stunden auswendig. Ganz eintönig ist die Beschallung jedoch nicht: der CD Spieler zerhackt die Stücke zeitweise – das sorgt für Abwechslung bei der musikalischen Berieselung und lässt auch beim schönsten Sonnenuntergang erst gar keine Romantik aufkommen.

Gegen Abend laufen die Dollarabsauganlagen auf Hochtouren: Das Wiener Schnitzel (warum auch Fisch? Der soll doch lieber im Wasser bleiben) ist meist per Pauschaltarif abgegolten. Aber dann geht’s los: Ein Bier 7 Dollar, ein Wasser 5 Dollar, ein Eis 4 Dollar. Alles plus 10% Service Charge. Mangels Alternative bleibt den Inselgefangenen nichts anderes übrig, als alles brav zu schlucken – oder zu verdursten. Denn das Leitungswasser ist selbstverständlich ungenießbar.

Nicht nur Essen und Trinken sind sündhaft teuer, auch das Freizeitangebot erfordert unendliche Dollarreserven: 1 Stunde Kanu 10 Dollar, 1 Stunde Billard 20 Dollar, 15Min. Wasserski 30 Dollar. Also ideal für eine 4köpfige Familie mit knappen Budget.

Tauchen: 50 Dollar pauschal. Doch diese 50 Dollar reichen quasi nur für die Willensbekundung. Alles, was man zum Absteigen braucht, geht extra: Jacket, Flossen, Brille, Boje und anderer Tauchkram – jeweils 10 Dollar zusätzlich. Jedoch der Clou: 50 Cent für Luft! Ziemlich pfiffig, der Maledivianer! Denn ohne Sauerstoff kommt man unter Wasser bekanntlich nicht weit.

Phantasie beim Abgreifen auch im Bereich Telekommunikation: 1 Minute Deutschland für 7 Dollar, 1 Minute und 1 Sekunde Deutschland 14 Dollar. Pech für Urlauber ohne Atomuhr. Wer deshalb zum Handy greift, erlebt den finanziellen Untergang spätestens mit der nächsten Abrechnung: 1 Minute Deutschland 10 Euro, 1 Minute ankommendes Gespräch 5 Euro. Der Schlaue denkt jetzt wahrscheinlich: „Dann schreibe ich eben eine SMS an meine Lieben daheim...“ Doch dem hat der Maledivianer vorgebaut: SMS ist gesperrt. Internet ist auch keine Alternative: 30 Dollar pro Stunde, Schneckentempo!

Getopt wird dieses filigrane System dem Abkassierens beim Inselurlaub nur noch durch eine umfangreiche Verbotsliste, bei deren Übertretung keine Strafen, sondern „Gebühren“ fällig sind. Blumen pflücken, Muscheln sammeln, verboten. Kokosnuss von der Palme holen: Todesstrafe. (Die Dinger sollen schließlich für 6 Dollar pro Stück verkauft werden)

Baden oben ohne: 1000 Dollar. Nacktbaden 1500 Dollar. Ohne finanzielle Absicherung sollte man also keinesfalls nach dem 6. Bier nachts auf der einsamen Insel auf die Idee kommen, mal eben unbekleidet ins Wasser zu hüpfen. Spione und Helfershelfer sind allgegenwärtig und das Hotelmanagement freut sich über jeden Tausender, den es zusätzlich einnehmen kann.

Alltag auf den Malediven. Das Paar dominiert. Einzelreisende sind den Maledivianern ein Greuel. Es gilt schließlich, die Hütten optimal mit Urlaubsgut zu bestücken. Dieses besteht meist aus Menschen, die aussehen, als wenn sie 50 wären und ebenso viele Kilos zuviel mit sich rumschleppen. Sie schnorchelt, er spielt den Jaques Cousteau.

Für viele ist dies eine willkommene Gelegenheit, den Neopren Fetisch auch öffentlich zu betreiben. Manche Männer sind auffällig schnell in ihrer 2. Haut. Eingenässt wird diese gummiartige Vermummung nicht nur von außen, sondern auch von innen. Ein dickes Hinweisschild in der Tauchschule verbietet zwar das Einpullern. Doch auch wer nicht auf diese speziellen Freuden des Wassersports steht, dem bleibt gar nichts anderes übrig, als es einfach laufen zu lassen. Bedingt durch erhöhte Stoffwechselaktivität beim Tauchen bauen sich schon nach 30 Minuten 3 Atü in der Blase auf, welche sich via naturalis Erleichterung verschaftt. Übrigens ein Tabuthema, welches aber in der Taucheranzugtrockenkammer unüberriechbar ist.

Man fragt sich natürlich, warum so viele Menschen auf den Malediven tauchen. Von den einst so farbenprächtigen Korallengärten ist wenig geblieben. Die Welt unter Wasser gleicht eher einem grauen, toten Trümmerhaufen. Mich wundert, dass hier überhaupt noch Fische rumschwimmen. Schuld daran ist angeblich El Nino. Dass die Maledivianer einen großen Teil der Umweltkatastrophe selbst verursacht haben könnten, kommt ihnen nicht in den Sinn.

Die Atolle sind längst zu Rennstrecken für Wasserfahrzeuge aller Art verkommen. Speedboote sägen mit ohrenbetäubenden Lärm durch die stille Inselwelt, vollgepackt mit immer neuen Touristen. Versorgungsboote knattern hinterher. Überall künstlich gefräste Kanäle, in die Unterwasserwelt gesprengte Rinnen für immer größere Schiffe - ohne Rücksicht auf Natur, Umwelt, Strömungsverhältnisse.

Künstlich vergrößerte, aufgeschüttete, zusammengelegte Inseln. Tausende in Korallenriffe gehämmerte Bungalows. Zusätzlich Müllinseln, Zementinseln, Fabrikinseln. Dort, wo sich noch vor wenigen Jahren die Palmen paradiesischer Eilande im Wechselspiel der Monsunwinde wogen, steigt heute Rauch aus Schornsteinen, fließen ätzende Abwässer in blaue Lagunen.

Millionen von Haien mussten ihr Leben lassen, weil man ihnen die Schwanzflosse abschnitt – eine Delikatesse die in Asien teuer verkauft wird. Millionen von Tauchanfängern, die mit ihren Flossen die wenigen, noch verbliebenen Korallen zerscheppern. Tausende von Booten, die immer wieder neu ihre Anker in die Korallen werfen und diese damit auf Jahrezehnte zerstören. Und nicht zuletzt Millionen Tonnen Müll von Touristen, die außerdem noch ihre Fäkalien auf den Inseln lassen. Das alles zusammen dürfte auf das sensible Ökosystem Malediven, diesem wunderbaren Unterwassernaturpark – in Jahrmillionen gewachsen – weitaus schlimmere Folgen haben als El Nino!

Die Gier nach Geld hat diese einstige Perle im Indischen Ozean zerstört. Unsere Generation wird sie wahrscheinlich nicht mehr erleben – die Malediven, wie sie einmal waren. Eine der schönsten Unterwasserwelten dieses Planeten. Das einzige, was diese Welt noch retten könnte wäre: „Betreten verboten“...



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Autor: Weltreisender
erstellt: 26.02.2005
gelesen: 12486 mal
Stichworte: Malediven, Strand, Insel, Tauchen
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