Titicaca-See: Im Grenzgebiet zwischen Bolivien und PeruAm Titicaca-See - ausführlicher Bericht Teil 1 Er ist schlechterdings ideal, dieser Lagerplatz für den Nachmittag und die erste Nacht am Titicaca-See!
Unsere zwei Autos stehen auf der nicht mehr benutzten alten Straße am Hang, etwa 20 Meter über dem Ufer des Titicaca-Sees, der kleine, unruhige Wellen an den steinigen Strand schickt.
Das Wasser des heiligen Sees der Inkas ist tief-blau, durchsichtig-klar und sehr kalt.
Im Hintergrund gut erkennbar die schneebedeckten Andengipfel, die in die weißen Haufenwolken am
sonnig-blauen Himmel übergehen. Vor uns balgen sich einige Möven und andere grau-weiße Wasservögel um ihre Beute.
Bis auf das Plätschern der Wellen ist es absolut ruhig. Nur gelegentlich ist von Ferne das tiefe Brummen eines Lasters zu hören, der sich weiter hinten die neue Asphaltstraße über einen Hang am See emporquält.
Da sind wir also nun und haben ein weiteres großes Ziel unserer Reise erreicht, den Titicaca-See. Den mit fast 4.000 m höchstgelegenen, schiffbaren See der Welt, der fast nur Zu- und keine Abflüsse hat und dadurch im Laufe der Zeit einen immer weiter ansteigenden Salzgehalt aufweist.
Eine geschichtsträchtige Region ist das hier. Die Besiedelung dieser Gegend um den Titicaca-See reicht weit in die Vorgeschichte der Menschheit!
Noch in Bolivien, von Süden kommend, zog uns am Vortag die Ruinen- und Tempelstadt Tiahuanaco in
ihren Bann. Sie liegt gleich neben dem ähnlich klingenden kleinen Ort Tiwanaco.
Auf dem Parkplatz dort treffen wir eine deutsche Studentin, die gemeinsam mit einem Kanadier in einer kleinen Ortschaft bei La Paz mit Behinderten Kindern arbeitet und darüber in Sorge ist, wie es mit ihrer Arbeit weiter gehen soll, da nun kein Geld mehr da sei. Ganz offensichtlich kein allzu seltenes Ereignis, daß bei gut gemeinter Hilfe in der dritten Welt das Geld knapp wird!
Noch am Spätnachmittag unternehmen wir einen ersten Rundgang über das Gelände von Tiahuanaco, um im Abendlicht vielleicht noch einige gute Dias aufzunehmen. Wir erklimmen ein aus großen Quadern aufgerichtetes Fußballfeld-großes Podest, auf dem mehrere monolithische Figuren stehen und - als wichtigstes Zeugnis der Vorinkazeit - das “Sonnentor”, ein imponierender, ebenmäßiger Torbogen mit
mäanderförmigen Gravuren und über dem Tor einem großen Sonnenantlitz.
Etwas abseits liegt ein riesiger Erdhügel, die “Pyramide”, mit einer Art Kratersee auf der rundlichen Gipfelregion und einem z.T. freigelegten Mauer-, Höhlen- und Grabensystem am Fuß des Hügels.
Im Osten des Geländes sehen wir ein in den Boden eingelassenes Geviert, wieder mit den fugenlos
ineinander passenden Quadern, wobei fast hundert sehr plastisch herausgearbeitete Gesichter in das Innere dieser Räumlichkeit blicken, z.T. recht verwittert, z.T. aber auch noch prächtig erhalten.
Während ich an diesen Mauern entlang laufe, ganz langsam, meine ich fast, ein Zwiegespräch mit diesen Gesichtern halten zu müssen. Sie schauen mich an, traurig, geheimnisvoll und unendlich ruhig aber nicht stumm. Irgendwie hat jedes dieser steinernen Antlitze seinen ganz eigenen Charakter und wohl auch seine ureigenste Geschichte.
Der mit seinen weit aufgerissenen Augen beispielsweise und den großen, starren, runden Pupillen gleich neben der Treppe schaut streng, als würde er Unheil verkünden müssen.
Der Nachbarkopf verrät mir seine Gedanken nicht. Er hat eine Art russische Pelzmütze tief in die Stirn gezogen bis dicht über die kantigen Augenhöhlen. Lediglich seine wulsigen dicken Lippen vermitteln mir so etwas wie Niedergeschlagenheit und vielleicht Angst.
Vor einem etwas verwaschenen, fast ganz weißen Gesicht bleibe ich länger stehen. Es ist schmaler als die anderen. Vielleicht stellt es ein Frauenportrait dar. Es ist ein Haupt ohne Kopfbedeckung. Zwei kleine dunkle Steine an den Wangen rechts und links halten den Kopf aufrecht. Dies wirkt genauso, als ob man sich auf
seine beiden Arme stützt, wenn man bekümmert über etwas Schmerzliches nachzudenken hat.
Die Gesichter im Tempel von Tiahuanaco hinterlassen bei mir einen tiefen und nachhaltigen Eindruck.......
Am folgenden Morgen setzen wir unseren Rundgang bei anderen Lichtverhältnissen fort und ergänzen den Besuch durch eine Besichtigung in dem recht geschickt aufgebauten kleinen Museum gleich neben der Hauptpforte des Freigeländes.
Hier kann man sich noch etwas eingehender mit der Geschichte dieser Region, vor allem aber auch nochmal mit der Tempelstadt Tiahuanaco und den Menschen dieser frühen Epoche befassen.
Natürlich werden wir von den ouvenirhändlerinnen und vielen Indiokindern belagert, die uns Ketten,
Gestricktes und Gewebtes, kleine Figuren und Münzen verkaufen wollen. Wir können nicht widerstehen und fügen den bisherigen Souvenirs weitere bei.....
Von der Ortschaft Desaguadero gibt es nur zwei Dinge zu berichten:
1. Es ist der Grenzort zwischen Bolivien und Peru, den wir problemlos passieren (nachdem die
Autos in einer belustigenden 3-$-Show zwangsweise “desinfiziert” worden sind, und
2. daß es sich um die “dreckigste Grenzstation des Kontinents “ handelt, wie unser Führer (mit
Recht!) konstatiert.
Die nächste (winzig-kleine) Stadt hat den schönen sommerlichen Namen Juli. Leider empfängt sie uns in Wolken und es regnet. Dennoch bleiben wir auf der Plaza de Armas stehen und steigen aus, denn an diesem Ort gibt es vier große Kirchen zu besichtigen.
Direkt vom zentralen Platz ausgehend steigen wir die Stufen zu San Pedro hinauf. Die Kirche ist offen, es wird eine Messe gehalten. Wir können nicht herumspazieren und photographieren. Dennoch fällt uns der ungewöhnliche Baustil auf: der unterste Abschnitt der Seitenschiffe und -altäre ist aus groben Steinen gemauert und geht erst in großer Höhe in behauene, ebenmäßige Steinquader über. In dieser größten Kirche am Ort sollen sonntags Indiochöre mit bis zu 400 Mitgliedern singen.
Wenige Straßen weiter kommen wir zu San Juan de Letran, einer Kirche, die jetzt zum Museum geworden ist und glücklicherweise ebenfalls geöffnet ist. Wir bewundern zunächst die herrlichen Steinmetzarbeiten am Hauptportal und an den Säulen sowie beim Altarraum im Inneren der Kirche. An den Seitenwänden riesige
Gemälde, sehr farbig, gut erhalten, monumental und mit kunstvollen, goldenen Rahmen. Daneben
vergoldete Altäre und mehrere matt schimmernde Alabasterfenster. Rechts neben dem Altarraum gehen wir durch eine Pforte und gelangen plötzlich in einen muffig-feuchten Lagerraum, in dem scheinbar wahllos Bilder, Figuren, Rahmen, Altarteile und andere Kunstgegenstände herumliegen. Naß und schimmelig sind alle Stoffe, die Holzteile und das Gestein. Schon für uns ein entsetzlicher Anblick, für Kunsthistoriker aber wohl ein Alptraum apokalyptischen Ausmaßes, wie hier mit unersetzlichen Gütern umgegangen wird.
Wahrscheinlich ist die Erklärung hierfür ganz einfach und besteht aus einem Wort: Geldmangel.
Noch ärger wird’s dann bei der dritten Kirche, die wieder einige Häuser weiter bergan liegt. Schon von Ferne erkennen wir ein mit Stricken zusammengebundenes Holzgerüst, das die Reste des Kirchturmes mit einigen Planen (die jetzt nur noch in Fetzen herumhängen) vor Regen und weiterem Verfall schützen soll. Das
Kirchenportal von La Asuncion ist noch erhalten, das Dach wohl durch Blitzschlag zerstört. Eine Indiofrau sitzt auf den Kirchenmauern und bewacht eine Kuh, die sich etwas Gras auf dem Kirchhof zusammensucht.
- Am Titicaca-See - ausführlicher Bericht Teil 2
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